In den vergangenen Monaten hat sich einiges in Sachen E-Voting in der Schweiz getan. Den Anfang machte eine Gruppe von netzpolitischen Aktivisten mit ihrer Volksinitiative für ein E⁻Voting Moratorium.
Danach kam es, man kann es nicht anders sagen, zu einer Demontage der Schweizer E-Voting Infrastruktur. Zum einen verkündete der Kanton Genf, seine Plattform nicht weiterführen zu wollen. Diesem Entscheid war ein Scharmützel mit dem Chaos Computer Club Schweiz (CCC-CH) vorangegangen, in welchem der CCC-CH eine Sicherheitslücke im System aufgedeckt hatte und der Kanton versuchte, diesen mit rechtlichen Mitteln einzuschüchtern.
Zum anderen steht auch das zweite System der Firma Scytl und der Schweizer Post in der Kritik, sei es wegen des Intrusionstests oder genereller Fehler der Firma bei der Durchführung von Wahlen in anderen Ländern.
Die angetönten Probleme betreffen technische Details und (ökonomische) Kosten der Systeme. Somit scheint es nicht gut zu stehen um das E-Voting kurz vor den herbstlichen nationalen Wahlen.
Dabei geht es bei einem Wahlsystem vor allem um eines: Vertrauen. Vertrauen durch Nachvollziehbarkeit des Systems. Vertrauen durch Kontrolle während des Wahlgangs. Und Vertrauen durch Fälschungssicherheit.
Die Gruppe an Akteuren, welche ein Interesse an einer Demontage (Zerstörung der Vertrauensbasis) der liberalen Demokratien hat, wird ständig grösser, bunter und illustrer: Vom Gründungsmitglied Wladimir Putin, welcher mit viel Kreativität und wenig finanziellen Mitteln ein (erstaunliches) Maximum an Vertrauensverlust erzeugt, über die Vorreiter der „illiberalen Demokratien“ in Ungarn oder Polen bis zu den Neuen Rechten, welche „dem System“ kategorisch misstrauen, haben immer mehr Gruppierungen ein Interesse an diesem Vertrauensverlust.
Hinzu kommt, dass ein elektronisches System zu manipulieren ungemein attraktiv ist, da die Kosten für eine solche Operation viel geringer ausfallen als bei unserem papiernen System – zum Beispiel mit der Strategie Putin.
Ein elektronisches Abstimmungsssystem muss, um Vertrauen zu erhalten und behalten, dieses nach innen und nach aussen absichern. Nach innen für die Wählenden durch Einfachheit und Transparenz des Verfahrens. Nach aussen, sodass im System by-design nicht einfach im grossen Stile Stimmen geändert werden können.
Diese Voraussetzungen sind beim aktuellen System Scytl/Post nicht gegeben. So attraktiv und bequem das Wählen am heimischen Computer oder Smartphone erscheint, der mögliche Schaden ist im Moment grösser als der Nutzen. Vielleicht sollte über die Umsetzung in Ruhe debattiert werden und diese ordentlich realisiert werden. Ein Moratorium würde diesem Prozess sicherlich helfen.