Die FDP.Die Liberalen haben ein Papier zur Digitalpolitik veröffentlicht. Offenbar musste es schnell gehen, davon zeugen zahlreiche Tippfehler…[1]  Inwieweit die  veröffentlichten Positionsbezüge auch einer breiten Parteimeinung entsprechen, wird sich also erst noch zeigen. Eine erste persönliche Reaktion von Balthasar Glättli (Grüne) folgt hier dennoch.

Einzelne Formulierungen des FDP Papiers sind mutig und klar: „Ausser in Strafverfahren dürfen Daten ohne Wissen und Einverständnis der Betroffenen weder gesammelt noch bearbeitet werden“ schreibt die FDP. Zu mutig formuliert? Zum Nennwert genommen wäre das jedenfalls ein klare Bekenntnis gegen die Vorratsdatenspeicherung. Heute werden ja in der Schweiz Kommunikationsranddaten auf Vorrat gespeichert. Sowohl was Emails betrifft als auch im Mobilfunkbereich. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn die FDP ein Partner für eine Revision des BÜPF würde, welche die Vorratsdatenspeicherung wieder abschafft!
Aber auch klare Differenzen zum Grünen Papier zur Netzpolitik werden erkennbar. So fordert die FDP (Kapitel 2.1) die Abschaffung von Leerdatenträger-Abgaben, lehnt auch jede Form einer Kulturflatrate ab. Sie setzt bei der Durchsetzung der Interessen der Kulturschaffenden auf Innovation (neue Vertriebsmodelle; mehr Möglichkeiten für KonsumentInnen, digitale Werke einfach legal kaufen zu können – finde ich ok!) und auf Kopierschutz (wie hier das Recht auf Privatkopie gewährleistet werden kann, bleibt je nach System offen – finde ich tendentiell problematisch). Zudem beisst sich hier das Positionspapier auch mit der Stossrichtung anderer FDP Parlamentarier, z.B. Kurt Fluri. Hier wird es wohl auch FDP intern noch spannende Debatten geben.
Wie stellt sich die FDP.Die Liberalen zur Netzneutralität? Wichtige Exponenten wollten die Motion 12.4212 Glättli nicht mitunterzeichnen. Gleichzeitig formuliert das Positionspapier (Hervorhebung Glättli):

„Die Gesellschaft hat sich für Bürger und Unternehmen mit dem Aufkommen des Internets enorm verändert. Damit einher gingen neue Anforderungen und Risiken. So gilt es sicherzustellen, dass der Zugang zum Internet frei bleibt, keine Zensur stattfindet und private Daten inklusive die IP-Adresse geschützt bleiben.“

Aus meiner Sicht erfordert die hier erwähnte Freiheit des Zugangs zumindest schwache Formulierungen von Netzneutralität. Die Freiheit des Internets wird nämlich heute in den westlichen Ländern weit weniger von staatlicher Zensur als von kommerziell motivierten Einschränkungen bedroht. Ein „Zweiklassen-Internet“ wie es nach Aushebelung der Netzneutralität entstehen würde wäre das Ende der Freiheit des gleichen Zugangs zu allen Inhalten – unabhängig vom Internet-Anbieter.
Die vorbehaltlose Unterstützung von eVoting (Kapitel 3) durch die FDP.Die Liberalen schliesslich ist problematisch. Ich bin immer noch der Meinung, dass eVoting ebenso grosse Risiken wie Chancen birgt, und ich bin mit dieser Meinung nicht allein. Im März 2012 wurde ein entsprechender Brief der Piratenpartei nicht nur von mir, sondern auch von Antonio Hodgers (Grüne), Lukas Reimann (SVP) und Toni Brunner (SVP) unterzeichnet.
Was – last but not least – die Forderungen zur Effizienzsteigerung bei den Verwertungsgesellschaften (Kapitel 2.2) betrifft, bin ich etwas verwundert. Zwar kann man durchaus die Effizienz z.B. der Suisa kritisieren. Allerdings ist kein Urheber, keine Urheberin gezwungen, sich bei der Suisa anzumelden. Das Papier plädiert ja dafür, dass die UrheberInnen „für den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Werke und die Durchsetzung ihrer Rechte selber verantwortlich“ sind – die Suisa ihrerseits ist eine Genossenschaft, in der sich UrheberInnen freiwillig zusammenschliessen, weil es ineffizient ist, wenn jedeR die eigenen Rechte selbst einzufordern versucht… was der Staat bei der Optimierung der Betriebsabläufe einer allenfalls ineffizient funktionierenden Genossenschaft zu suchen hätte, bleibt mir als liberal denkendem Menschen vollkommen dunkel! Wenn schon hätten es die in der Suisa zusammengeschlossenen UrheberInnen an der Hand, mit ihrem eigenen Stimmrecht darauf hinzuwirken, dass die Suisa weniger hohe Betriebskosten hat. Damit eine Gesellschaft überhaupt mit Bewilligung kollektive Verwertung der Urheberrechte betreiben darf, schreibt sogar das Urheberrechtsgesetz (SR 231.1) vor, dass eine Verwertungsgesellschaft „den Urhebern und Urheberinnen und den ausübenden Künstlern und Künstlerinnen ein angemessenes Mitbestimmungsrecht einräumen“ muss.
 
[1] Auch die Mails an info@fdp-xx.ch (wie in der Fusszeile des Papiers angegeben) dürften kaum weit kommen 😉